„Tut mir leid, ich kann Ihnen leider nur ein Glas Wasser anbieten“

Ich bin auf meinem Weg nach Hause von einer sehr interessanten Konferenz in Tromso Norwegen. „How to attract, train and keep global talent“ war der Titel dieser Konferenz, die von Itim International und der Universität von Tromso organisiert war. #theculturefactor

Die vergangenen Tage waren gefüllt mit spannenden Vorträgen von Führenden Denkern aus den Bereichen Talent Management, Unternehmenskultur und Kulturelle Diversität. Händeschütteln, Austausch von Visitenkarten, viel zu viel Kaffee und nicht genügend Schlaf. Ich war müde und freute mich darauf bei meiner Frau und meinen Kindern wieder zu Hause zu sein.

Es war das erste Mal, dass ich mit SAS, der führenden Fluglinie Skandinaviens geflogen bin und ich war sehr erfreut als ich das Schild „free WIFI on Board“, sah. Endlich eine Fluglinie, die es versteht wie man seine Kunden behandelt. Ich bin davon überzeugt, dass allen Menschen zu jeder Zeit Internet zur Verfügung gestellt werden soll, und zwar umsonst. Super begeistert davon, dass ich während des Fluges meine lieblings TV-Serie schauen konnte ignorierte ich den durchgesessenen Sitz auf dem ich gerade saß. Sobald wir die Reiseflughöhe erreicht hatten nahm ich mein Macbook heraus und musste feststellen, dass freies Internet nur für Passagiere in der Businessclass zur Verfügung stand. Für alle Anderen war es möglich für den Aufpreis von 6 Euro einen Zugang zu erlangen. Während ich noch mit mir haderte ob der Internetzugang auf diesem Flug für mich 6 Euro wert sei oder nicht, kam der Flugbegleiter vorbei und fragte mich was ich gerne trinken möchte. Wie üblich bestellte ich meine zwei Gläser Wasser. Auf Reisen bin ich meist sehr durstig und bestelle deshalb immer zwei Gläser Wasser. Der Flugbegleiter drehte sich zu mir um und zu meiner Überraschung reichte er mir ausschließlich ein Glas Wasser und er wollte gleich weiter gehen. Auf meine viel zu höfliche Art insistierte ich und bat ein weiteres Mal für ein zweites Glas Wasser. Was ich dann hörte war eine Antwort mit der ich beim besten Willen nicht gerechnet habe.

Er sagte: „Tut mir leid, ich kann Ihnen aber nur ein Glas Wasser geben.“

Ich war schockiert. Ich war verblüfft, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Er hat mich vollkommen aus dem Konzept gebracht.

„Bisher war es noch nie ein Problem ein zweites Glas Wasser in einem Flugzeug zu kriegen“ antwortete ich.

Moment mal: verhandelte ich wirklich gerade um ein zweites Glas Don Perignon oder um ein zweites Glas Wasser? Nein, es war Wasser!

Ich hatte Glück und meine Hartnäckigkeit zahlte sich aus. In einem Akt von Grosszügigkeit drehte sich der Flugbegleiter um und schenkte mir ein weiteres halbes Glas Wasser auf. Wow! EIn halbes Glas Wasser. In meinem ganzen Leben hatte mir noch nie jemand ein halbes Glas Wasser serviert.

Als Berater für Unternehmenskultur und Change Managment dachte ich bei mir: Was für eine interessante Auffassung von Kundenservice. Und ich habe mich gefragt, was wohl die Ursache dafür ist. Kann es womöglich sein, dass es mit der skandinavischen Kultur zu tun hat, die klar individualistisch und somit auch weniger serviceorientiert ist. Oder liegt es doch mehr an der Unternehmenskultur von SAS?

Flugbegleiter sollten doch darin geschult sein den Passagieren ein Gefühl von Sicherheit an Bord zu geben. Oder etwa nicht? Im Falle eines Notfalls hängt mein Leben von deren Entscheidungen ab. Ob ich mich während des Fluges sicher fühle hängt zu 100% davon ab wie sehr es den Flugbegleitern gelingt mir ein Gefühl von Sicherheit zu geben. War dies wirklich die Botschaft die sie mit einem halben Glas Wasser an mich senden wollten?

Dieser Vorfall machte mich neugierig. War es ausschliesslich mein schlechtes Karma, dass ich eineinhalb Gläser Wasser auf dem Flug angeboten gekriegt habe oder gibt es mehrerer solcher Vorfälle?

In meiner Recherche fand ich hauptsächlich zwei Webseiten mit Feedback zu Fluglinien.

www.airlinequality.com und www.airlineratings.com. Und plötzlich fühlte ich mich sehr glücklich. Die Überschriften zu den Rückmeldungen klingen hauptsächlich wie diese: „vollkommen eklig“, „fürchterliche Erfahrung“ oder „trauriges Erlebnis“. Von Asa konnte ich lesen- auf meinem Flug von Kopenhagen über Newark nach Las Vegas erhielt ich ausschliesslich zwei Freigetränke. Jennifer aus Schweden schrieb- „nur ein nicht alkoholisches Getränk auf einem Langstreckenflug ist nicht ok…“ Ich konnte darüber lesen, dass Toiletten auf Langstreckenflügen nicht funktionieren, Sicherheitsmassnahmen nicht erklärt werden und so weiter. Nun schreiben sicherlich unzufriedene Menschen häufiger Kundenbeurteilungen als Menschen die überdurchschnittlich gute Erfahrungen gemacht haben. Jedoch nun hatte ich mal bereits diese Erfahrung gemacht und nur eineinhalb Glas Wasser zum trinken gekriegt.

Auf der Webseite der Fluglinie kann ich erfahren wie es finanziell um das Unternehmen steht, welche Strategie das Unternehmen verfolgt und auch über die Kunden und das Kundenangebot. Ich finde jedoch keinen einzigen Satz, der mir etwas über den Kundenservice verrät.

„The primary target group for SAS is frequent travelers in Scandinavia, regardless whether the trip is for business or leasure. The objective is to continue to be the target group’s natural choice by providing easy, clear and time-saving products and services, all linked to an unsurpassed network and schedule with frequent departures.“ http://www.sasgroup.net/en/customers-and-customer-offering/

Wenn die Strategie des Unternehmens darauf ausgerichtet ist Kundenbindung über spezielle Angebote und Mitgliedschaften zu erreichen, jedoch die Unternehmenskultur, dies nicht unterstützt, wie soll dies dann funktionieren?

Klarerweise können wir sagen, dass ein Großteil der Kunden seine Fluglinie nach dem billigsten Angebot aussucht. Somit ja, vielleicht ist es möglich genügend Kunden über ein grosses Angebot und nette Apps an das Unternehmen zu binden ohne sich um den Kundenservice zu kümmern.

Jedoch was ist mit den Menschen die für das Unternehmen arbeiten. Wie würden Sie sich dabei fühlen, wenn Sie für ein Unternehmen arbeiten würden, das es Ihnen untersagt, Passagieren ein zweites Glas Wasser aufzuschenken? Ein Unternehmen, das angeblich auf Beschwerden nicht reagiert. Wie würde sich dies auf Ihre Motivation auswirken? Würden dies die Identifikation mit Ihrem Unternehmen stärken?

Vielleicht könnte Lufthansa uns zu dem Thema das Eine oder Andere erzählen, speziell darüber welche Kosten entstehen, wenn plötzlich das gesamte Personal streikt. Aber ich denke das ist eine andere Geschichte.

Und wer bin ich schon, dass ich es mir erlaube darüber zu urteilen?

In der Zwischenzeit drücke ich immer wieder den Knopf über meinem Sitz, um den netten Flugbegleiter erneut zu mir zu rufen und um ein weiteres Glas Wasser zu nötigen. Und zu meiner Überraschung, hatte ich Glück!